Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte entscheidet über Kirchenautonomie und Elternrechte

  • Öffentliche Anhörung vor Gerichtshof noch diese Woche
  • Urteil behandelt Recht der Eltern, über die religiöse Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen

Washington D.C. (10. Mai 2021) – Dürfen Eltern selbst über die religiöse Erziehung ihrer Kinder entscheiden? Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte wird diese Frage bald für 35 amerikanische Länder im wegweisenden Fall Pavez gegen Chile beantworten. Die öffentliche Anhörung findet am 12. und 13. Mai statt.

„Wir hoffen, dass der Gerichtshof die grundlegende Bedeutung der Religions- und Glaubensfreiheit erkennt und respektiert. Dazu gehört auch die Unabhängigkeit der Glaubensgemeinschaften, die Lehrer selbst auszuwählen, und das Recht der Eltern, ihre Kinder nach ihren eigenen Überzeugungen religiös zu erziehen“, sagte Tomás Henríquez, Leiter der Rechtsabteilung für ADF International in Lateinamerika und der Karibik. „Das ist das erste Mal, dass der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte die Religions- und Glaubensfreiheit unmittelbar behandelt.“

 

Statt Kündigung: Einvernehmliche Versetzung und Beförderung

Frau Sandra Pavez unterrichtete katholischen Religionsunterricht in San Bernardo, Chile. Als die örtliche Diözese erfuhr, dass Frau Pavez entgegen der Lehre der katholischen Kirche eine gleichgeschlechtliche Beziehung eingegangen war, wurde ihr mitgeteilt, dass sie nicht mehr geeignet sei, den katholischen Glauben im Einklang mit der Lehre der Kirche glaubwürdig weiterzugeben. Doch sie durfte ihre Beschäftigung ohne Unterbrechung in einer anderen Funktion fortsetzen und wurde sogar zu einem Mitglied des Leitungsteams in der Schule befördert.

Trotzdem erhob Frau Pavez in Chile Klage gegen die katholische Kirche und behauptete, sie sei diskriminiert worden. Doch der Oberste Gerichtshof bestätigte einerseits die Freiheit der Kirche, Lehrer selbst aussuchen zu können, und andererseits auch das Recht der Eltern, ihre Kinder nur von jemandem in Religion unterrichten zu lassen, der auch in Übereinstimmung mit seinem Glauben lebt. Daraufhin wandte sich Frau Pavez an den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte.

 

Wegweisender Fall für Religionsfreiheit

Angesichts der internationalen Reichweite des Gerichtshofs wird dieser Fall Auswirkungen für Millionen von Menschen auf dem amerikanischen Kontinent haben. Gläubige Menschen, egal ob sie katholisch, jüdisch, muslimisch oder evangelisch sind oder aber einer anderen Religion angehören, werden nach dem Urteil entweder weiterhin selbst darüber entscheiden können, wer die religiöse Erziehung ihrer Kinder an der Schule übernimmt – oder aber das Gericht entscheidet sich gegen diese Freiheit der Eltern mit dramatischen Folgen. Daher hat sich eine breite Koalition von Organisationen und Religionsgemeinschaften zusammengeschlossen, um dieses Grundrecht zu verteidigen und das Gericht aufgefordert, die Gesetze des Staates zu respektieren und zu schützen. Zu dieser Koalition gehören die jüdischen, muslimischen, orthodoxen, anglikanischen und protestantischen Gemeinden Chiles sowie das Oberhaupt des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM), die gemeinsam einen wohl historischen Schriftsatz bei Gericht eingereicht haben.

„Eltern und die Religionsgemeinschaften, denen sie angehören, müssen ihren Glauben ohne Beeinflussung von außen an ihre Kinder weitergeben können. Dafür müssen sie allein entscheiden können, wer die religiöse Erziehung der Kinder an der Schule übernimmt. Das Völkerrecht schützt ausdrücklich die Autonomie der Religionsgemeinschaften. Die Kirche spielt eine bedeutende Rolle und die gesamte Gesellschaft profitiert von starken und unabhängigen Religionsgemeinschaften“, sagte Henríquez.

ADF International hat dem Gerichtshof einen Schriftsatz vorgelegt. Darin wird die Bedeutung der Religions- und Glaubensfreiheit unterstrichen und aufgezeigt, wie wichtige die Unabhängigkeit der Eltern und Religionsgemeinschaften hinsichtlich der religiösen Erziehung ihrer Kinder ist.

„Die nationalen Gesetze schützen das Recht der Eltern, über die moralische und religiöse Erziehung ihrer Kinder in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überzeugungen selbst entscheiden zu können. Daher sollte dieser Schutz auch praktisch im Religionsunterricht umgesetzt werden, etwa indem auch Lehrer ausgewählt werden, die die religiösen Überzeugungen auch ehrlich vertreten können. Die Religions- und Glaubensfreiheit von Millionen von Eltern und ihren Kindern steht auf dem Spiel. Es ist wichtig, dass der Gerichtshof handelt und diese grundlegende Freiheit schützt“, sagte Robert Clarke, stellvertretender Geschäftsführer von ADF International.

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