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Drei Tage, um dem eigenen Glauben abzuschwören

Drei Tage, um dem eigenen Glauben abzuschwören

Christen im Sudan

Wenn Mariam Ibrahim jetzt daran denkt, wie sie mit angeketteten Füßen in einem Gefängnis ihr zweites Kind zur Welt brachte, kann sie es selbst kaum mehr glauben. Als ihr Erstgeborener Martin auf die Welt kam, saß sie nicht in der Todeszelle und musste nicht ohne die Hilfe von Hebammen und Ärzten ein Kind gebären. Bei Maya war das der Fall.

Mariam Ibrahim kommt aus dem Sudan. Ihr Vater ist Muslim, so wie die meisten in dem riesigen afrikanischen Land. Im Sudan gilt zum Zeitpunkt ihrer Geburt die Scharia, vor allem die Strafgesetze beruhen auf dem islamischen Rechtssystem. Jedes Kind eines muslimischen Vaters wird offiziell als Muslim gesehen. Mariams Vater verließ die Familie als sie sechs Jahre alt war. Ihre Mutter – eine Christin – erzog sie daraufhin äthiopisch-orthodox.

Dann folgte eine sudanesische Erfolgsgeschichte. In einem Land, in dem jede dritte Frau nicht lesen und schreiben kann, studierte Mariam an der Universität von Khartoum Medizin, promovierte und arbeitete dann als Ärztin. In dieser Zeit heiratete sie Daniel Wani, einen Christen aus dem Südsudan. Doch kurz darauf – Mariam ist 25 – wird sie verhaftet.

Der Sudan Heute

43,8 Mio. Einwohner davon 70% Muslime, 25% ethnische Religionen und 5% Christen

Politik seit der Unabhängigkeit

1956 Unabhängigkeit
2011 Unabhängigkeit Südsudan
2019 Autokrat al-Bashir wurde gestürzt und durch die von Premier-minister Abdalla Hamdok geführte Übergangsregierung ersetzt.
Ende 2021 Putsch des Militärs gegen den Premier
Für 2023 Neuwahlen angesetzt

Rechtliche Anklagen – Ehebruch – Apostasie

Ein Verwandter hatte sie des Ehebruchs beschuldigt, weil sie einen Christen geheiratet hatte. Eigentlich ist Mariam getauft und lebt als Christin, doch rechtlich gilt sie ja als Muslima und darf als solche nur einen muslimischen Mann heiraten. Alles andere ist Ehebruch.

Gegenüber den Behörden beteuert Mariam, dass sie Christin ist. Doch das macht alles nur noch schlimmer. Ein halbes Jahr nach der Anklage wegen Ehebruchs wird sie jetzt auch noch der Apostasie, also des Abfalls vom Islam, beschuldigt. Die Strafe dafür: Tod durch Erhängen.

Doch es gibt noch einen Ausweg. Mariam bekommt drei Tage Zeit, um ihrem Glauben abzuschwören und sich zum Islam zu bekennen.

Für Christus in die Todeszelle

Aber Mariam Ibrahim bleibt ihrem Glauben an Christus treu. Darum muss sie in die Todeszelle. Während ihrer Verurteilung ist sie bereits hochschwanger und als sie ins Gefängnis kommt, schon im neunten Monat. Ihr Baby kann jeden Moment kommen. Trotzdem sitzt sie hinter Gittern in der Todeszelle. Mit ihr ist Martin, ihr anderthalb Jahre alter Sohn. Später sagt sie: „Ich erinnere mich nicht, einmal mehr als eine Stunde am Stück geschlafen zu haben, weil ich auf Martin aufpassen musste.“

Das Todesurteil wird nicht sofort vollstreckt, weil Mariam Ibrahim schwanger ist. Ein „gnädiger“ Aufschub von zwei Jahren wird ihr gewährt, um sich noch um ihr Neugeborenes zu kümmern, wenn es geboren wird.

Und tatsächlich: Am 27. Mai bringt Mariam in der Kranken station des Frauengefängnisses ihre Tochter Maya zur Welt. Selbst ist die Frau: Medizinische Hilfe hat sie keine – nur ihr eigenes Wissen als Ärztin, ihre unfassbare Stärke und ihren Glauben. Während der Geburt ist sie an den Füßen angekettet. 

Sudan Christen

Auf internationalen Druck freigelassen

Der Fall sorgt international für Empörung. Verschiedene Botschafter und Regierungsmitglieder veröffentlichen Statements, in denen sie die Freilassung der Christin fordern. Die Geschichte der jungen Mutter, die ihr Baby im Gefängnis gebären musste, geht um die Welt.

Endlich haben die Bemühungen Erfolg. Durch internationalen Druck ordnet ein Berufungsgericht an, Mariam und ihre zwei Kinder unverzüglich freizulassen. Lieber heute als morgen möchte die Familie ausreisen, denn die Gefahr, durch wütende Mobs umgebracht zu werden, ist nach einer Freilassung aus dem Gefängnis hoch.

Mariam und die zwei Kinder finden in der US-amerikanischen Botschaft Zuflucht. Noch dürfen sie das Land nicht verlassen, weil sie bis jetzt nur auf Kaution frei sind. Nach weiteren diplomatischen Bemühungen ist die Ausreise endlich möglich. Ein Flugzeug bringt die Familie nach Italien.

„Anderen geht es noch schlechter“

Kurz nach der Ankunft besuchen sie Papst Franziskus, der die Kinder segnet und Mariam seine Bewunderung ausspricht. Dann geht es für die Familie in die USA, in ihre neue Heimat, in der Mariams Leben nicht mehr in Gefahr ist, weil sie ihrem Glauben und ihrem Ehemann treu bleiben möchte.

Doch anstatt ihr neues friedlicheres Leben zu genießen, setzt sich Mariam für verfolgte Christen und religiöse Minderheiten im Sudan ein.

„Anderen geht es im Sudan noch schlechter als es mir ging“, sagt sie. Deswegen ist die mehrfache Mutter umtriebig und setzt sich für Religionsfreiheit in ihrer sudanesischen Heimat ein. Sie hörte von Nada und Hamouda, einem christlichen Ehepaar, dass sich unter Zwang trennen musste, und jetzt eine harte Bestrafung erwartet. Gemeinsam mit ADF International verteidigt sie die Rechte und Freiheiten des Paares.

Nada und Hamouda

Tatsächlich ähneln sich ihre Wege in vielem. Doch die Geschichte der beiden Eheleute begann anders. Nada und Hamouda waren beide Muslime, als sie 2016 heirateten. Ein normales muslimisches Ehepaar in einem Land, in dem offiziell nur 4,4% der Bevölkerung Christen sind. Nur zwei Jahre später, 2018, konvertierte Hamouda, Nadas Mann, zum Christentum. Eine gefährliche Angelegenheit im Sudan. „Abfall vom Islam“ wird eine solche Konversion genannt und darauf steht die Todesstrafe.

Zu allem Überfluss wurde Nada dann auch noch von ihrer Familie gezwungen, ihre Ehe mit Hamouda aufzulösen. Ein islamisches Scharia-Gericht erklärte die Ehe der beiden für nichtig. Nada und die beiden Kinder mussten sich vom Vater der Familie trennen. Für Hamouda eine grauenhafte Situation: Sein Leben war in Gefahr, sein soziales Umfeld wandte sich von ihm ab und sogar seine Familie war ihm genommen worden.

Noch im gleichen Jahr begannen im Sudan Massenproteste, die sich bald auch gegen den sudanesischen Diktator, Präsident Omar al-Bashir richteten. Im April wurde Bashir, der mehr als 30 Jahre lang an der Macht war, gestürzt. Die Übergangsregierung leitete einige wichtige Reformen ein, darunter die Entkriminalisierung von Konversionen vom Islam.

Wieder vereint – und wieder getrennt?

Für die Familie von Nada und Hamouda ist das eine großartige Nachricht: Nada kann nun auch offiziell Christin werden, die Familie zieht zusammen und ist endlich wieder vereint. Ein neues Leben beginnt als christliches Ehepaar und Familie.

Aber nicht alle freuen sich: Nadas Bruder ist wütend über den „Glaubensabfall“ seiner Schwester. Er zeigt das Ehepaar an – wegen Ehebruchs. Genau wie Mariam werden also Nada und Hamodua jeweils Ehebruch vorgeworfen. Ihnen droht eine Strafe von 100 Peitschenhieben. Doch noch schlimmer ist: Wenn die beiden verurteilt werden, müsste Hamouda das Land verlassen. Schon wieder wäre die Familie getrennt. Und das nur, weil sie Christen sind und als Familie zusammenleben wollen.

Für Mariam Ibrahim ist der Fall ein weiteres Beispiel für die ungerechte Behandlung von Christen im Sudan: „Obwohl Apostasie nicht mehr verboten ist, werden religiöse Minderheiten von den Gerichten immer noch nicht beschützt.“

Im August fand die Gerichtsverhandlung statt. Im Urteil wird sich zeigen, ob der „Sudan seine rechtlichen Reformen der Übergangsregierung von 2020 umsetzt und anerkennt,“ so der Jurist Sean Nelson von ADF International.

Am Telefon erzählt Nelson, der für den Fall verantwortlich ist, dass die Feindlichkeit gegen Christen in dem Land zunimmt. „Erst vor wenigen Monaten wurde eine Kirche von Islamisten attackiert. Aber es war der Priester, der dann wegen „Störung des öffentlichen Friedens“ verurteilt wurde. Und erst kürzlich wurden vier Christen im Sudan aufgrund des außer Kraft gesetzten Apostasiegesetzes verhaftet.“

Der Fall von Nada und Hamouda kann eine rechtliche Schlüsselrolle einnehmen für die Religionsfreiheit der Menschen im Sudan. Doch das geschieht nur mit öffentlichem Druck. Deswegen muss die Welt wieder mehr auf den Sudan schauen. Denn wie Mariam Ibrahim eindrücklich betont: „Jeder Mensch sollte in der Lage sein, seinen Glauben ohne Angst zu leben.“

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