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Warum es an der Zeit ist, für die Meinungsfreiheit einzutreten

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf IDEA.de

Am 30. März jährt sich der Freispruch der finnischen Politikerin Päivi Räsänen zum ersten Mal.

Zensur ist eine schleichende Angelegenheit. Es liegt in der Natur der Sache, dass sie oft unbemerkt bleibt. Um Zensur eindeutig zu erkennen, müsste man eben bemerken, was nicht gesagt wird. Es ist anstrengend – ja fast unmöglich – die Meinungen wahrzunehmen, die unterdrückt werden.

Hinzu kommt, dass die meisten von uns subtile Zensur im Alltag stillschweigend akzeptieren. Es erfordert Mut und Wachsamkeit, das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung zu verteidigen. Heute feiert eine solche Verteidigerin, die finnische Parlamentsabgeordnete Päivi Räsänen, den einjährigen Jahrestag ihres wichtigen Erfolgs für die Meinungsfreiheit vor dem Bezirksgericht Helsinki im März 2022.

Die Staatsanwaltschaft hatte sie wegen „Hassrede“ angeklagt, weil sie 2019 in einem Tweet und einer Rundfunkdebatte sowie 2004 in einer kirchlichen Broschüre ihre Überzeugungen über die christlichen Lehren zu Ehe und Sexualität geteilt hatte. Die Richter entschieden einstimmig, sie von allen Anklagepunkten freizusprechen, mit der Begründung, dass „es nicht Sache des Bezirksgerichts ist, biblische Konzepte zu interpretieren“. Dennoch ist der juristische Kampf noch nicht vorbei. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Berufung ein. Somit steht Räsänen diesen Sommer ein weiterer Prozess bevor.

13 Stunden Verhör für einen Tweet

Räsänen beweist Ausdauer. Bisher musste sie mehr als 13 Stunden polizeiliche Verhöre, monatelanges Warten auf die Gerichtsverhandlung, einen beschwerlichen Prozess und eine Vielzahl von Lügen, die von den Medien verbreitet wurden, ertragen. Und all das wegen eines Tweets. Trotz der Belastung lässt sich Räsänen nicht einschüchtern.

Sie weiß, was auf dem Spiel steht: das Recht, den Glauben frei auszuleben und darüber sprechen zu können. Das finnische Rechtssystem lässt trotz einstimmigem Freispruch eine Berufung zu. Die Staatsanwaltschaft ergriff somit die Chance, ihre Zensurkampagne gegen Räsänen unerbittlich fortzusetzen. Doch warum der ganze Aufwand wegen ein paar Bibelversen auf Twitter? Die Antwort ist erschreckend einfach: Die Staatsanwaltschaft will an Räsänen ein Exempel statuieren.

Der Prozess selbst wird zur Bestrafung. Denn, wenn so etwas mit unseren gewählten Repräsentanten geschieht, hat das eine abschreckende Wirkung auf die Bevölkerung. Solche Prozesse zielen darauf ab, diejenigen einzuschüchtern, die ähnliche Überzeugungen haben.

Dem fallen nicht nur Christen und Freunde der Meinungsfreiheit zum Opfer. Finnland hat pro Kopf die wenigsten Polizeibeamten in Europa. Dennoch hat der Staat enorme Ressourcen in die strafrechtliche Verfolgung von Räsänens Aussagen gesteckt. Währenddessen bleibt die Untersuchung anderer tatsächlicher Straftaten links liegen.

Gedanken werden als Verbrechen eingestuft

Die Verfolgung einer finnischen Christin mag fern erscheinen, doch die Zensur von Äußerungen, die als
unangenehm empfunden wird, verbreitet sich. Erst vor kurzem verabschiedete das britische Parlament zum Beispiel das erste Gesetz zu „Gedankenverbrechen“ in der modernen britischen Geschichte.

Mit der Einführung landesweiter Zensurzonen um Abtreibungseinrichtungen verbietet das neue Gesetz jede Form der „Beeinflussung“, einschließlich lautloser Gebete und einvernehmlicher Unterhaltungen, in einem Umkreis von 150 Metern um Abtreibungskliniken in England und Wales. Mindestens drei Personen sind bereits unter Beschuss geraten, nur weil sie auf einer öffentlichen Straße in Gedanken still gebetet haben.

Männer nutzen Quotenregelungen aus

In Mexiko wurde der Kongressabgeordnete Gabriel Quadri als „politischer Frauenfeind“ verurteilt, weil er seine Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht hatte, dass Männer, die sich als Frauen identifizieren, einige für Frauen reservierte Plätze im Kongress besetzt haben. In Mexiko gibt es ein Gesetz, das eine 50/50-Vertretung von Männern und Frauen im Kongress vorschreibt. Als nach den Wahlen im Jahr 2021 zwei den Frauen zugewiesene Sitze im Kongress an Männer vergeben wurden, die sich als Frauen identifizieren, meldete sich Quadri auf Twitter zu Wort.

Er wies darauf hin, dass es ungerecht ist, wenn Männer das Gesetz ausnutzen, um Zugang zu politischen Positionen zu erhalten, die für Frauen vorgesehen sind. Die Tweets enthielten keine unflätigen Ausdrücke, nannten keine bestimmte Person und beinhalteten in keiner Weise eine Aufforderung zur Gewalt. Doch weil er sich für die Chancen von Frauen einsetzte, wurde er verurteilt und muss nun langfristige persönliche und berufliche Konsequenzen tragen.

Blasphemievorwürfe wegen WhatsApp-Nachricht

Das vielleicht extremste Beispiel für diesen weltweiten Zensur-Trend ist in Nigeria zu beobachten. Im Jahr 2020 wurde der Sufi-Musiker Yahaya Sharif-Aminu wegen „Blasphemie“ zum Tode verurteilt. Grund dafür war ein Liedtext, den er über WhatsApp geteilt hatte. Die selbst verfassten Texte besangen einen Imam aus dem 19. Jahrhundert, der in seiner Sufi-Tradition verehrt wird. Daraufhin wurde der 22-jährige beschuldigt, den Imam über den Propheten Mohammed gestellt zu haben.

Mit Hilfe der Menschenrechtsorganisation ADF International legte er nun beim Obersten Gerichtshof in Nigeria Berufung ein, um die Verfassungsmäßigkeit der auf der Scharia basierenden Blasphemie-Gesetze anzufechten. Er ist weiterhin im Gefängnis und sein Leben bleibt in Gefahr. Der raue Wind der Zensur weht an vielen Orten der Welt.

Von Twitter über WhatsApp-Nachrichten bis hin zum stillen Gebet auf öffentlichen Straßen wird das grundlegende Menschenrecht, seine Überzeugungen äußern zu dürfen, angegriffen. Nehmen wir uns Räsänens Worte daher zu Herzen: „Jetzt ist es an der Zeit zu sprechen. Denn je mehr wir schweigen, desto enger wird der Raum für Meinungs- und Religionsfreiheit“.

Fotos dürfen im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu diesem Fall kostenlos verwendet werden.

Die Autorin, Sofia Hörder, ist Pressesprecherin der christlichen Menschenrechtsorganisation ADF International

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