Für die nächste Generation

Was müssen wir heute tun, um in 10 Jahren bessere Bedingungen für Meinungs- und Glaubensfreiheit in unserer Gesellschaft vorzufinden? ADF International investiert in die Ausbildung der nächsten Generation christlicher Entscheidungsträger.

Sophia Kuby leitet und entwickelt die Schulungsprogramme von ADF International. Sie koordiniert die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern.

 Mit der Areté Academy bietet ADF International ein internationales Trainingsprogramm für christliche Young Leaders an, die beruflich Gesellschaft mitprägen möchten. Was verbirgt sich dahinter?

Die Areté Academy ist eine einzigartige Leadership-Ausbildung für junge Christen, die am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen und eine Sehnsucht haben, gesellschaftsprägend zu wirken. Das Wort Areté kommt aus dem Grechischen und bedeutet Tugend oder Vortrefflichkeit. Dieser Name ist Programm bei unserer Akademie.

Wir bilden junge Menschen aus, die sich durch akademische und charakterliche Vortrefflichkeit auszeichnen, starke Führungsqualitäten aufweisen und sich aus ernsthafter christlicher Motivation heraus in den Dienst des Gemeinwohls stellen wollen. Junge Christen, die heute beruflich Gesellschaft in Politik, Recht, Medien oder im vorpolitischen Bereich mitgestalten wollen, finden kaum mehr Orte, wo sie sich darauf vorbereiten und sich ein entsprechendes Netzwerk aufbauen können. Sie haben ihre akademischen Netzwerke, wie Stipendiatenprogramme, und ihre kirchlichen Kreise, die meist auf Freizeitaktivitäten beschränkt sind. Oft hat das eine nicht viel mit dem anderen zu tun.

Mit der Areté Academy wollen wir diese immer größer werdende Lücke füllen, indem wir drei Dinge bieten: erstens, eine absolut hochwertige Ausbildung in den Kernthemen des christlichen Menschenbildes und der Herausforderungen unserer heutigen Kultur; zweitens, ein lebenslanges, wachsendes, professionelles, und weltweites Netzwerk von Areté-Alumni; drittens, ständige Angebote zur Weiterbildung.

 

Welche Erfahrungen machen Sie mit der Kombination aus christlich fundierter spiritueller und intellektueller Ausbildung?

Die Verbindung von beidem – dem Geistlichen und dem Intellektuellen – in der Areté Academy ganz konkret zu erleben, ist für viele Teilnehmer entscheidend, damit in ihnen die Überzeugung wachsen kann: es ist nicht nur wich-tig, sondern auch möglich, als Christ ganz bewusst strategische Positionen in gesellschaftsprägenden Bereichen anzustreben. Ich muss dem allerdings noch ein Drittes hinzufügen: tragende Beziehungen und Freundschaften mit anderen Gleichgesinnten weltweit, die dieselbe Ambition haben, Politik, Kultur und Gesellschaft aktiv mitzugestalten.

Diese drei Dimensionen entwickeln wir durch die sogennante „Areté Journey“ hindurch. Die ausgewählten Teilnehmer absolvieren gemeinsam über ein Jahr monatliche online Trainings, wo sie sich bereits in Kleingruppen kennenlernen und Mentoring bekommen, bevor sie dann alle zur eigentlichen Areté Academy für fünf Tage zusammenkommen.

 

Wie funktioniert das Netzwerk christlicher Influencer, das ADF International weltweit knüpft, konkret?

Seit Jahren bauen wir ein weltweites Netzwerk von Anwälten und Personen im öffentlichen Leben auf. 2018 haben wir eine eigene Abteilung gegründet, die sich dem voll und ganz widmet. Mit der Areté Academy haben wir ein Programm geschaffen, das die Zielgruppe nicht nur anspricht, wenn sie bereits beruflich etabliert ist, sondern junge Menschen mit hohem Potenzial identifiziert, ausbildet und ihnen dann ein weltweites Netzwerk bietet. Das erlaubt ihnen besser die zahlreichen Herausforderungen zu meistern, denen man heute als Christ im öffentlichen Leben begegnet.

Durch das Netzwerk bekommen Alumni leichten Zugang zu intellektuellen Resourcen, Expertise, Mentoring und, nicht zu unterschätzen, Unterstützung im Gebet und konkrete Ermutigung. Auch jährliche Alumni-Treffen sind in Europa, Südamerika und bald auch Asien in Planung.

 

Wie sieht die inhaltliche Ausrichtung der Academy aus?

Im Grunde geht es darum, in der Tiefe zu verstehen, was das christliche Menschenbild ist und für unsere heutige Kultur bedeutet. Unser Ziel ist es, dass die gesamte Areté Journey eine wirklich verwandelnde Lebenserfahrung für die Teilnehmer ist. Und unsere Erfahrung mit nunmehr gut 1000 Alumni weltweit zeigt, dass dies tatsächlich oft der Fall ist. Während der Akademie erfahren die Teilnehmer oft eine geistige Klärung ihrer individuellen Aufgabe und gehen tief ermutigt und gestärkt wieder an ihre Wirkungsorte zurück. Meistens gehen dann beruf-liche Türen auf, wodurch diese jungen Menschen eine oft erstaunliche Wirkung entfalten und in ihre Berufung hineinwachsen, dem Gemeinwohl zu dienen.

 

Wer kann sich bewerben und nach welchen Kriterien werden die Teilnehmer ausgewählt?

Die Areté Academy richtet sich an junge Christen aller Konfessionen am Beginn ihrer Berufslaufbahn. Bewerben können sich Studenten und junge Berufstätige aller akademischen Disziplinen. Die Bewerbung umfasst mehrere Essays, Empfehlungsschreiben, Zeugnisse. Wir möchten einen umfassenden Eindruck von der Person bekommen, akademisch, charakterlich, geistlich. Ein Auswahlkommittee, das für jeden Kontinent etwas unterschiedlich besetzt ist, befasst sich intensiv mit jedem Bewerber.

 

Was erhoffen Sie sich von den Absolventen der Akademie?

Die Areté Academy dient demselben Ziel, das auch ADF International hat: wir möchten Menschen befähigen, sich in den Dienst am Menschen, der Freiheit, der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls zu stellen. So wie wir bei ADF International intern versuchen, eine gesunde Kultur von Verantwortung, geistlichem Wachstum, charak-terlicher Stärke und Exzellenz zu leben, so wollen wir auch unsere zukünftigen Verantwortungsträger darin ausbilden und fördern. Die Früchte und Werdegänge dann mitzuerleben, ist eine besondere Freude, denn sie sind ja nie nur menschliches Werk, sondern auch Gottes Wirken in dieser Welt.

Teile dieses Interviews wurden auch in der Zeitung „Die Tagespost“ abgedruckt.

Wer Falsches glaubt, wird ausgewiesen

Die politischen Entwicklungen in der Türkei setzt religiöse Minderhheiten zunehmend unter Druck. Christliche Pastoren und ihre Familien gelten als unerwünscht – zumindest für die Machthaber. Unter dem Deckmantel vager Einwanderunsgesetze, hindert man Menschen wie David Byle daran, über ihren Glauben in der Öffentlichkeit zu sprechen.

Von einem Tag auf den anderen, die Heimat verlassen zu müssen. Was sich anhört wie ein Albtraum, wurde für David Byle Realität. In der Türkeit hatte sich der kana-disch-amerikanische Christ gemeinsam mit seiner deutschen Frau über 19 Jahre hinweg sein Leben aufgebaut. Hier knüpfte er Freundschaften, kaufte sein Haus, hier zog er seine fünf Kinder groß. Und hier predigte er über seinen christlichen Glauben, zumeist an öffentlichen Orten. „Wenn wir öffentlich über unseren Glauben sprachen, blieben die Leute stehen und hörten zu. Sie wollten mehr hören, mehr über Jesus erfahren.

In Istanbuls Straßen erfährt man sel-ten etwas über das Chrsitentum. Das Interesse bei den Menschen war groß. Die Regierung wollte uns lieber zum Schweigen bringen aber wir übten nur unser Recht auf Religionsfreiheit aus“, so David. Die türkische Verfassung und Gesetzeslage kennt er gut. Im Laufe seiner Missionstätigkeit sah er sich schon mit einer ganzen Reihe kurzfristiger Festnahmen, Verhören und versuchten Abschiebungen konfrontiert.

 

Des Landes verwiesen

Bereits 2016 erhielt Byle einen kaum begründeten Bescheid, wonach er die Türkei unverzüglich verlassen müsse. Er bekämpfte diesen Bescheid. Sein Aufenthalt war bis zur endgültigen Entscheidung rechtmäßig. Dennoch holte ihn eines Tages die Polizei. Man inhaftierte David einen Tag nach der medienwirksamen Freilassung des US-amerikanischen Pastors Andrew Brunson aus einem türkischen Gefängnis im Oktober 2018.

Er blieb nicht lang in Haft. Man teilte ihm mit, er hätte innerhalb von fünfzehn Tagen das Land zu verlassen. Dem beugte er sich. David reiste vorerst aus.

Als er versuchte, zu seiner Familie zurückzukehren, wurde ihm die Einreise in die Türkei verwehrt. Die Behörden sehen in ihm eine „Bedrohung der Ordnung und Sicherheit“. Als nun das Höchstgericht endlich seinen Fall aufgriff, schloss es diesen umgehend, da sich David nicht mehr im Land befand. Er und alle, die ihn geistlich und finanziell über die Jahre hinweg unterstützt hatten, wurden um ihr Recht betrogen.

„Hier wird das Einwanderungsrecht dazu missbraucht, einen Menschen an der Ausübung seiner Religionsfreiheit zu hindern.“ Lidia Rieder, Juristin bei ADF International

 

Grundrechte schützen

ADF International vertritt Byle vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, um ihm eine Rückkehr zu ermöglichen. „Die systematische Unterdrückung durch die türkischen Behörden, unter der David und andere ausländische Christen leiden, soll die Ausbreitung des Christentums eindämmen. Das ist ein Angriff auf die Religionsfreiheit. Dabei verpflichtete sich die Türkei diese zu verteidigen“, so Lidia Rieder, Juristin bei ADF International. Davids Arbeit als Missionar werde sowohl von der Europäischen Menschenrechtskonvention als auch von der türkischen Verfassung ge-schützt. Sie wurde aber dennoch zum Grund für die Ausweisung und das Einreiseverbot.

 

Zunehmende Verfolgung

Für Byle begann alles in der türkischen Hauptstadt Istanbul, wo er als Straßenprediger seine Missionsarbeit startete. Mit kleinen Showeinlagen, Pantomime und Puppenspiel erklärte er Interessierten, was es mit diesem Jesus auf sich hätte. Manchmal versammelten sich Menschentrauben um ihn zu hören. Seit 2007 litt er unter der zunehmenden Verfolgung durch die Autoritäten, die seine Tätigkeit nicht gut hießen. Man sperrte ihn vier Mal ein. Einmal wurde er auf offener Straße verhaftet, ein ander Mal kam ein Polizeitrupp in der Nacht in sein Haus und nahm ihn mit. Das entmutigte David nicht. Er sieht es als Teil seiner Aufgabe und erzählt auch von vielen tollen Gesprächen in den Gefängnissen. Generell fühlten sich seine Familie und er immer wohl in der Türkei. Auch weil er auf offene Ohren stieß: „Einmal predigte ich in Istanbul in der Nähe einer großen Moschee. Jemand verriet das den Imamen. Sie kamen und beschimpften mich. Aber ich musste gar nicht darauf reagieren, da viele im Publikum plötzlich anfingen, mich zu verteidigen.“ Er sehne sich nach dem Tag, wieder türkischen Boden betreten zu dürfen, so David. Aktuell harrt er der Dinge in Berlin, wo er ebenfalls seiner Missionstätigkeit nachgeht. Er ist kein Einzelfall. Deshalb hofft er, dass seine Klage am Europäischen Gerichtshof allen Christen in der Türkei hilft, ihr Recht auf Glaubensfreiheit ausleben zu dürfen. In aller Öffentlichkeit.

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Missionare hinter Gittern

Zugegeben, manche Menschen machen sich selbst das Leben unnötig schwer. Etwa wenn sie partout in Grönland leben möchten, wo Temperaturen die meiste Zeit unter dem Gefrierpunkt sind. Oder wenn sie in die Wildnis ziehen, wo sie weder Zugang zu Strom noch fließendem Wasser haben.

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Frei reden, frei glauben

Weltweit sehen sich Christen zunehmend Kritik und Anfeindungen ausgesetzt – immer häufiger auch Verboten und Klagen. In Europa und vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz gab es bis vor kurzem kaum Probleme. Allerdings greift man auch hier Christen bei sensiblen Themen wie Sexualität, Familie oder Lebensschutz persönlich an. Das Grundrecht der Meinungs- und Glaubensfreiheit wird selbst im Herzen Europas rasch in Frage gestellt.

Die Begeisterung in ihren Worten hört man nicht nur, man spürt sie. Für sie ist jedes Leben schützenswert. Dafür steht sie ein. Dafür kämpft sie. Allerdings nicht mit Waffen oder Worten. Jeder Mensch habe das Recht, seine Überzeugung im öffentlichen Raum frei zu äußern, sagt sie. Als Verantwortliche der Gebetsinitiative „40 Tage für das Leben”, mache sie lediglich von diesem Recht Gebrauch. Wie das funktioniert? „Wir beten in Stille”, erklärt sie. Ihre Augen leuchten.

Pavica Vojnović lebt mit ihrem Mann in Pforzheim, Deutschland. Seit 2018 engagiert sich die gebürtige Kroatin für den Schutz ungeborenen Lebens. In ihrer katholischen Pfarre konnte sie viele Gleichgesinnte gewinnen, die sie dabei unterstützen. Zweimal im Jahr beten sie 40 Tage lang vor der lokalen Niederlassung einer Abtreibungsorganisation. Friedlich. Freundlich. Sie spricht jene Frauen, die in die Beratungsstelle gehen, nicht von sich aus an. Wenn sie zu den Betenden blicken, schenkt ihnen Pavica lediglich ein Lächeln. Die Aktion läuft beschaulich, friedlich ab. Deshalb gab es zu Beginn auch kein Problem mit der Abtreibungsorganisation. Man duldete Pavica, das zuständige Ordnungsamt gewährte die stille Versammlung vor dem Haus. Doch dann mischte sich die Politik ein.

Was man überhaupt noch sagen darf

Beim Ordnungsamt wurde interveniert. Widerspruch gegen Abtreibung – und sei er noch so friedlich – konnte man nicht gewähren lassen. Zuerst musste die Gruppe die Straßenseite wechseln. Dann verbannte man sie außer Sichtweite. Das nahm Frau Vojnović nicht hin. Das Beten lasse sie sich nicht verbieten. Sie klagte, der Prozess ist im Gange. Dr. Felix Böllmann, deutscher Anwalt und Experte für Rede- und Meinungsfreiheit bei ADF International sieht das Recht auf der Seite der Betenden. Das Grundgesetz schütze Versammlungsfreiheit, sowie Meinungs- und Glaubensfreiheit. Diese existenziellen Rechte dürften nicht einfach untergraben werden. Letztendlich gehe es in dem Fall darum, ob ein Ordnungsamt darüber ent-scheiden dürfe, was eine „richtige” und was eine „falsche” Meinung sei, so Böllmann. Und das sei mit Sicherheit nicht die Aufgabe von Ämtern.

Der Jurist beschäftigt sich umfassend mit Meinungs- und Glaubensfreiheit. Seiner Erfahrung nach herrsche zunehmend Unsicherheit unter Pastoren, Priestern, Lehrenden, Lebensschützern und Gläubigen, was man öffentlich sagen darf und was nicht.

Die Fälle häufen sich

Das verwundert wenig. Fälle, wie jener der Restaurantbesitzerin Young-Ai Park in Berlin machen europaweit Schlagzeilen. Die Polizei konfiszierte in ihrem Lokal einen Bibelspruch zum Thema Sexualität, den sie in die Auslagen gestellt hatte. Wollte sie provozieren? Nein. Viele Zitate aus der Bibel, zu allen möglichen Lebensbereichen, zieren die Wände des Restaurants. Man bezichtigte sie, mit ihrem Bibelschild Hass zu verbreiten und sie wurde aufgrund so genannter „Hassrede“ angezeigt. Das Gericht bestätigte im Endeffekt jedoch ihr Recht auf Meinungs- und Religionsfreiheit. „Wir hoffen, dass die Entscheidung in diesem Fall uns daran erinnert, dass Meinungsfreiheit ein Grundrecht ist, das jedem gewährt werden muss“, sagte Dr. Felix Böllmann.

Rede- und Meinungsfreiheit ist sowohl durch internationales Recht als auch durch die Verfassungen und Grundgesetze einzelner Länder geschützt. Auch so genannte “Hassrede”-Gesetze hebeln dieses Menschenrecht nicht aus.

Drei Trends

Dennoch macht sich Verunsicherung darüber breit, was man noch sagen darf. Drei aktuelle Trends tragen dazu bei: digitale Meinungszensur, gezieltes Anprangern von unbeliebten Meinungen und Personen als Methode des politischen Meinungskampfs, sowie strategische Gerichtsfälle, die lange Zeit geschätzte Grundrechte infrage stellen.Zuerst zur digitalen Zensur: Unternehmen wie Facebook, Twitter oder Google, entscheiden selbstständig, welche Inhalte sie zensieren und welche nicht. Grundsätzlich der Meinungsfreiheit verpflichtet, wur-den sie zunehmend von traditionel-len Medien und Regierungen in die Pflicht genommen, die Verbreitung so genannter „Hassrede” und „Fake News” einzudämmen. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang sind zum Beispiel das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz aus dem Jahr 2017 oder das Abkommen, das EU Kommissarin Jourova 2016 mit großen Internetunternehmen stellvertretend für die Europäische Union traf. Damit lagerten die EU Staaten zensierende Maßnahmen bequem an private Unternehmen aus. Das eigentliche Problem besteht dann im fehlenden Rechts- bzw. Berufungsweg. Wurde erst einmal eine gewisse Meinung als verletzend eingestuft, gibt es kaum ein rechtliches Mittel, um dagegen vorzugehen. Es bleibt den Internet-Giganten vorbehalten, welche Meinung sie zulassen und welche nicht. Löschen sie aber bestimmte Inhalte nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen, drohen ihnen empfindliche Strafen durch den Staat. Dieser Mechanismus gepaart mit der Quasi-Monopolstellung der großen Plattformen lässt ihre Entscheidungen einer Zensur gleichkommen.

Christen würden Hass fördern

Ein weiteres Phänomen ist das “Naming and Shaming”, zu Deutsch Benennen und Anprangern. Diese Taktik wird gerne von Lobbygruppen gewählt. Vor allem in den USA fand sie eine starke Verbreitung. So betreibt dort eine politische Aktivistengruppe eine so genannte Hassliste. Darauf werden Organisationen vermerkt, die nach Auffassung der Gruppe “Hass” verbreiten. Neben dem Klu-Klux-Klan und anderen rechtsradikalen Gruppen wurden aber in den vergangenen Jahren vor allem christliche Lebensschutz- und Familienorganisationen auf die Liste gesetzt. Deren Sicht auf Abtreibung und Ehe fördere den Hass und andere fühlten sich verletzt, so die Argumentation. Einflussreiche Medien übernehmen dann diese Anschuldigungen ohne eigene Prüfung. Eine Taktik, die bereits auch in Europa angewandt wird. Sie richtet großen Schaden an, da sich niemand gerne mit einer „Hassgruppe“ sehen lässt.

Strategische Rechtsfälle

Die strategische Prozessführung nutzt Gerichtsfälle, um geltendes Recht in eine bestimmte Richtung abzuändern. Dabei wird ein Fall bis zum Höchstgericht in einem Land getrieben, um eine Präzedenz für eine Uminterpretation bestehender Gesetze zu schaffen. In Deutschland wäre dafür das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Thema assistierter Suizid ein Paradebeispiel. Oft verwendet man solche Gerichtsfälle auch, um eine Signalwirkung an alle zu erzielen. Egal ob es dann zu einer Verurteilung kommt oder nicht, die Botschaft ist klar: Wer auch immer es wagt, eine vermeintlich falsche Position zu beziehen, bekommt Probleme. Für manche scheint der Lebensschutz eine „falsche“ Position darzustellen. Für andere, wie etwa Frau Vojnović ist das Eintreten für ungeborene Kinder selbstverständlich. Eine freie, demokratische Gesellschaft lebt vom Diskurs unterschiedlicher Weltsichten. Besonders dann, wenn es um kontroverse Themen geht. Wer sich verweigert oder die Diskussion unmöglich macht, untergräbt letztendlich Grundrechte wie Meinungs- und Glaubensfreiheit. Dazu gehört auch, stille Beter des Platzes zu verweisen und ihre Versammlungsfreiheit nur an bestimmten Orten zu akzeptieren. In diesem Pforzheimer Fall geht es nämlich letztendlich gar nicht darum, ob Frau Vojnović und ihre Pfarrgemeinde ein paar Meter weiter entfernt von der Abtreibungsorganisation stehen. Es geht vielmehr darum, ob Behörden bürgerliche Grundrechte akzeptieren und schützen oder nach eigenem Ermessen interpretieren. Man muss Pavica Vojnovićs Gebet nicht gutheißen. Aber jeder sollte Interesse daran haben, dass sie es im öffentlichen Raum verrichten darf.

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