- 40-Tage-für-das-Leben Gruppe in Pforzheim darf nicht vor Abtreibungsberatungsstelle beten.
- Bundesregierung erwägt laut Koalitionsvertrag pauschale Verbote von Gebet und Hilfsangeboten in der Nähe von Abtreibungseinrichtungen
MANNHEIM (24. August 2022) – Darf man in Deutschland auf dem Gehsteig gemeinsam still beten? Mit dieser Frage beschäftigt sich am Donnerstag, den 25. August ab 10:00 Uhr, der Verwaltungsgerichtshof Mannheim. Pavica Vojnovic aus Pforzheim hatte gegen den Platzverweis für ihre Gebetsgruppe geklagt. Vojnovic ist Leiterin der 40-Tage-für-das-Leben Gruppe in Pforzheim, die nach Entscheidung der örtlichen Behörde nicht mehr in Hör- und Sichtweite einer Abtreibungsberatungsstelle beten durfte. Die Gruppe hofft auf die Bestätigung ihrer Religions- und Versammlungsfreiheit durch das Gericht.
Dr. Lidia Rieder, die bei der christlichen Menschenrechtsorganisation ADF International für den Fall zuständig ist und auch bei der Verhandlung zugegen sein wird, sagte dazu: „Meinungs-, Religions-, und Versammlungsfreiheit sind die Grundlage einer liberalen Gesellschaft. Dass stille und friedliche Beter von Behörden einen Platzverweis bekommen, ist offensichtlich politisch motiviert. Deswegen ist es wichtig, dass das Gericht jetzt diese fundamentalen Grundrechte bestätigt und die Gruppe weiter am Ort ihrer Wahl beten darf.“
Die Bundesregierung erwägt währenddessen flächendeckende Verbote von Gebet und Hilfsangeboten in der Nähe von Abtreibungseinrichtungen in Deutschland. Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung spricht pauschal von „Gehsteigbelästigung“, gegen die man „wirksame gesetzliche Maßnahmen“ erlassen möchte.
„Erfahrungen aus dem Vereinigten Königreich (UK) zeigen, dass angebliche “Belästigungen” nur vorgeschoben werden, und es stattdessen um die Einschränkung von Grundrechten und die Bestrafung derer geht, die sich für den Schutz des Lebens stark machen. “, sagte Dr. Lidia Rieder weiter.
Stilles und friedliches Gebet verboten
Zweimal im Jahr versammelte sich die Gebetsgruppe für 40 Tage vor einem Gebäude der Organisation pro familia, die auch Abtreibungen durchführt. Als pro familia die 40-Tage-für-das-Leben Gruppe aufforderte auf die andere Straßenseite zu wechseln, kam die Gruppe um Vojnovic dieser Bitte nach. Daraufhin trennte eine vierspurige Straße die Beter von dem Gebäude.
Auch als die Polizei vorbeikam, stellte sie keine Verstöße gegen geltendes Recht fest. Nichtsdestotrotz verlangte pro familia die Verbannung der Versammlungen außer Hör- und Sichtweite oder das komplette Verbot. Dem folge die Stadt Pforzheim 2019 und wies den Betern für Frauen in Not und ihre ungeborenen Kinder einen abgelegenen Platz jenseits einer stark befahrenen Kreuzung zweier Hauptverkehrsstraßen zu.
„Ich war schockiert über diese Entscheidung. Jedes Leben ist wertvoll und verdient Schutz. Ich bin traurig, dass wir daran gehindert werden, schutzbedürftige Frauen und ihre ungeborenen Kinder im Gebet am Ort unserer Wahl zu unterstützen. Unsere Gesellschaft muss Müttern in schwierigen Situationen bessere Unterstützung bieten. Es geht hier um mehr als unsere Gruppe in Pforzheim, nämlich auch darum, ob „gebetsfreie Zonen“ staatlich angeordnet werden dürfen, und ob man im öffentlichen Raum unterschiedliche Meinungen vertreten darf,“ sagte Pavica Vojnovic, die von der christlichen Menschenrechtsorganisation ADF International unterstützt wird.
Juristische Bemühungen für Grundrechte
Vojnovic klagte gegen die „gebetsfreien Zonen“ und berief sich auf Religions-, Versammlungs-, und Meinungsfreiheit. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe wies die Klage jedoch im Mai 2021 ab. Daraufhin legte die Leiterin der 40-Tage-für-das-Leben Gruppe beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim Berufung ein. Der Gerichtshof entschied im November 2021 die Berufung zuzulassen. Zwischenzeitlich haben Gerichte in Hessen in einem ähnlichen Fall die von der Stadt Frankfurt angeordneten, räumlichen und zeitlichen Beschränkungen einer Gebetsversammlung für rechtswidrig erklärt. Die Verhandlung am Gericht in Mannheim findet am 25. August statt. Eine Entscheidung wird in den Tagen und Wochen danach erwartet.
„Wir hoffen, dass das Gericht die Gelegenheit wahrnimmt, Meinungs-, Versammlungs-, und Religionsfreiheit zu stärken. Das Verbot des stillen Gebets durch die Pforzheimer Behörden vor der Abtreibungsberatungsstelle ist nicht verhältnismäßig. Das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention schützen die Meinungsfreiheit als ein hohes Gut. Unabhängig davon, ob man Frau Vojnovics Ansichten teilt oder nicht: Über diesen Schutz sollte unabhängig von der politischen Wetterlage Einigkeit bestehen,“ sagte Dr. Lidia Rieder.