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Finnische Parlamentsabgeordnete feiert Jahrestag ihres Freispruchs trotz neuem “Hassrede” Verfahren 

  • Die strafrechtliche Verfolgung der finnischen Parlamentsabgeordneten Päivi Räsänen und Bischof Pohjola wird trotz des einstimmigen Freispruchs fortgesetzt. 
  • Die Zensurkampagne richtet sich gegen die Meinungsfreiheit vor allem in Bezug auf christliche Überzeugungen.  

HELSINKI (28. März 2023) – Wie steht es um die Meinungsfreiheit in Finnland? Obwohl Päivi Räsänen letztes Jahr in ihrem Fall um die Meinungsfreiheit einstimmig freigesprochen wurde, steht ihr nun im August 2023 ein weiterer Gerichtsprozess bevor. Kurz vor dem Jahrestag ihres Freispruchs am 30. März zeigt sich die finnische Parlamentsabgeordnete jedoch hoffnungsvoll.  

Vor einem Jahr, am 30. März 2022 wies das Bezirksgericht Helsinki die Anklagepunkte gegen Päivi Räsänen einstimmig ab. In der Begründung schrieben die Richter, dass es “nicht Sache des Bezirksgerichts ist, biblische Begriffe zu interpretieren“. Dennoch legte die Staatsanwaltschaft kurz darauf Berufung gegen den Freispruch ein. Immer noch wirft die Anklage Räsänen “Hassrede” wegen eines Bibelzitats vor.  

„Indem sie ihre Kampagne friedliche Überzeugungen zu zensieren fortsetzt, schafft die Staatsanwaltschaft einen gefährlichen Präzedenzfall für Intoleranz gegenüber der Meinungsfreiheit. Ich werde weiterhin für die freie Meinungsäußerung kämpfen, denn sie ist der Eckpfeiler einer freien und demokratischen Gesellschaft. Ich bin zuversichtlich, dass das Berufungsgericht die gleiche Entscheidung wie das Bezirksgericht treffen wird und mich erneut freispricht“, sagte Päivi Räsänen. 

Ein „neuer Tiefpunkt“ für die Meinungsfreiheit  

Die ehemalige Innenministerin war wegen „Hassrede“ angeklagt worden. Sie hatte sich 2019 in einem Tweet und einer Rundfunkdebatte sowie 2004 in einer kirchlichen Broschüre persönlich zum Thema Ehe und Sexualethik geäußert. Gleichzeitig stand auch der evangelisch-lutherische Bischof Juhana Pohjola vor Gericht, weil er Räsänens Broschüre vor fast 20 Jahren für seine Kirchengemeinde veröffentlicht hatte. Ihr Fall erregte im vergangenen Jahr weltweites Medieninteresse. Menschenrechtsexperten äußerten sich besorgt über die Gefahr, die dieser Fall für die Meinungsfreiheit in Finnland darstellt.  

„Wenn eine langjährige und angesehene finnische Parlamentarierin zweimal vor Gericht gestellt wird, weil sie vor vier Jahren in einem Tweet ihre Überzeugungen geäußert hat, dann weiß man, dass die Achtung vor der Meinungsfreiheit in Europa einen neuen Tiefpunkt erreicht hat. Jeder, dem die Meinungsfreiheit am Herzen liegt, sollte über das fortgesetzte Gerichtsverfahren gegen Päivi Räsänen empört sein. Die Staatsanwaltschaft will an Päivi ein Exempel statuieren, um andere zum Schweigen zu bringen. Das ist ihr im ersten Prozess nicht gelungen. Wir hoffen, dass sich die Meinungsfreiheit erneut durchsetzen wird“, sagte Paul Coleman, Anwalt und Geschäftsführer von ADF International, der Menschenrechtsorganisation, die Räsänens Verteidigung unterstützt.    

Prozess wegen eines Tweets   

Im Juni 2019 begann die Polizei gegen Räsänen zu ermitteln. Als aktives Mitglied der Evangelisch-Lutherischen Kirche Finnlands wandte sie sich über Twitter an die Leitung ihrer Kirche und hinterfragte in einem Tweet die offizielle Unterstützung des LGBT-Events ‚Pride 2019‘ durch die Kirche. Dazu postete sie ein Bild mit Versen aus dem neutestamentlichen Römerbrief (Röm 1,24-27). Dem Tweet folgten Ermittlungen, die sich bis auf die Broschüre erstreckten, die Räsänen vor fast 20 Jahren geschrieben hatte. 

In den letzten Jahren verhörte die Polizei Räsänen mehrere Stunden lang und befragte sie zu ihrem Verständnis der Bibel. 

Im April 2021 erhob die finnische Generalstaatsanwältin eine Anklage mit drei separaten Anklagepunkten gegen Räsänen. In zwei der drei Anklagepunkte hatte die Polizei zuvor empfohlen, die Strafverfolgung nicht fortzusetzen. Räsänens Aussagen hatten zudem weder die Richtlinien von Twitter noch die des Radiosenders verletzt und sind daher auf diesen Plattformen noch zu ersichtlich.  

Die Bibel auf dem Prüfstand  

Während der Gerichtsverhandlung am 24. Januar und 14. Februar 2022 argumentierte Räsänens Verteidigung, unterstützt von der juristischen Menschenrechtsorganisation ADF International, dass eine Verurteilung Räsänens der Meinungsfreiheit in Finnland erheblich schaden würde. Die Äußerungen Räsänens seien eine völlig geschützte Ausdrucksform der christlichen Lehre.   

In seinem Urteil erkannte das Gericht an, dass es, auch wenn einigen Räsänens Äußerungen nicht gefallen mögen, es „einen zwingenden sozialen Grund für die Beeinträchtigung und Einschränkung der Meinungsfreiheit geben muss“. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass es keine solche Rechtfertigung gab.   

Am 30. März 2022 sprach das Bezirksgericht Helsinki Räsänen von allen Anklagepunkten frei. Außerdem verurteilte es die Staatsanwaltschaft zur Zahlung von mehr als 60.000 EUR an Verfahrenskosten. Im Gegensatz zu vielen anderen Rechtssystemen kann die Staatsanwaltschaft nach finnischem Recht gegen ein „nicht schuldig“-Urteil bis zum Obersten Gerichtshof Finnlands Berufung einlegen. Räsänen hat erklärt, dass sie bereit ist, das Recht auf freie Meinungsäußerung in jeder Instanz zu verteidigen, wenn nötig auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.   

Räsänen ist seit 1995 Abgeordnete des finnischen Parlaments. Von 2004 bis 2015 war sie die Parteivorsitzende der finnischen Christdemokraten und zwischen 2011 und 2015 Innenministerin Finnlands. In dieser Zeit war sie unter anderem für Kirchenangelegenheiten zuständig. Die studierte Ärztin ist Mutter von fünf Kindern und hat zehn Enkelkinder. 

Fotos dürfen im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu diesem Fall kostenlos verwendet werden.

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