- Bundesverwaltungsgericht (Leipzig): Es gibt kein Recht auf den Kauf eines Präparats zur Selbsttötung. Beendigung des eigenen Lebens ist grundsätzlich keine medizinische Leistung
- Böllmann: „Jeder Mensch hat das Recht, dass sein Leben vor und von jedem geschützt wird.“
Wien/Leipzig (08. November 2023) – Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat ein wegweisendes Urteil gefällt: Die freie Verfügbarkeit von tödlichen Präparaten ist nicht mit dem Schutzauftrag des Staates für die Allgemeinheit vereinbar. Damit stärkt das Gericht den staatlichen Schutzauftrag für das Leben und stellt sich gegen die bedingungslose Förderung des assistierten Suizids.
Die offizielle Pressemitteilung des Gerichts stellt klar: zur medizinischen Versorgung gehört „die Anwendung eines Betäubungsmittels zur Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden.“ Die (Selbst-)Tötung fällt nicht darunter. „Eine solche therapeutische Zielrichtung hat die Beendigung des eigenen Lebens grundsätzlich nicht.“
„Wir begrüßen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Das Gericht unterscheidet klar zwischen medizinischen Mitteln der Heilung, Linderung und Gesundheitsförderung und der Forderung nach Tötung. Suizid ist keine Gesundheitsleistung. Die Aufgabe von Ärzten, Medizinern und auch der persönlichen Umgebung ist es, Leben zu retten und Unterstützung zu leisten, statt zu töten,“ sagt Dr. Felix Böllmann, deutscher Rechtsanwalt und Leiter der europäischen Tätigkeit der Menschenrechtsorganisation ADF International.
Gericht stärkt Schutzkonzept
Das Gericht hält weiter fest, dass der „Ausgestaltung des Schutzkonzepts zur Verhinderung von Miss- und Fehlgebrauch“ von tödlichen Substanzen eine wichtige Rolle zukommt.
Dr. Felix Böllmann weiter: „Es ist gut, dass das Gericht das staatliche Schutzkonzept für das Leben jedes Einzelnen erwähnt und stärkt. Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben. Und jeder Mensch hat das Recht, dass sein Leben vor und von jedem geschützt wird. Ein Blick in andere Länder zeigt, dass Missbrauch von tödlichen Mitteln nie verhindert werden kann. Schon allein deswegen muss das staatliche Schutz- und Präventionskonzept hohe Anforderungen an die Abgabe solcher Preparate stellen. “
Das Urteil ergeht inmitten einer internationalen Debatte um den Schutz von Menschen am Lebensende. Eine medizinische Studie offenbarte kürzlich, dass in den Niederlanden mehrere Menschen mit Autismus und geistiger Behinderung euthanasiert wurden. In Kanada stirbt laut neuesten Zahlen jeder 25. Mensch durch Euthanasie. Im Frühjahr soll in Kanada auch die Euthanasie für drogenabhängige Menschen eingeführt werden.
Letztes Jahr entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem wichtigen Fall zur Euthanasie in Europa. Der Gerichtshof entschied, dass Belgien im Fall der Mutter von Tom Mortier, einem Chemiker und Universitätsdozenten, das Recht auf Leben der Frau verletzt habe. Trotzdem hatten die Richter keine grundsätzlichen Einwände gegen das Euthanasiegesetz. Mortiers Mutter litt vorübergehend an Depressionen. Sie wurde von einem Lobbyisten für Euthanasie durch eine Spritze umgebracht. Der tötende Arzt, der keinerlei psychologische Kompetenz hatte, saß danach auch dem Gremium vor, dass die Euthanasie „unabhängig“ untersuchen sollte. ADF International vertrat Tom Mortier vor dem EGMR.