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Die Türkei bezeichnet Christen als ‘Bedrohung für die nationale Sicherheit’, um Massenausweisungen zu rechtfertigen.

  • Juristin von ADF International spricht auf der OSZE-Konferenz zur menschlichen Dimension in Warschau

  • Europäischer Gerichtshof wird über wegweisenden Fall zur Glaubensfreiheit in der Türkei entscheiden

Warschau (13. Oktober 2025) – Auf der OSZE-Menschenrechtskonferenz in Warschau warnte Lidia Rieder, Juristin bei ADF International, dass die türkische Regierung unter dem Vorwand der „nationalen Sicherheit“ systematisch gegen Christen vorgehe, Hunderte ausländische Gläubige ausweise und dadurch lokale Gemeinden ohne geistliche Leitung zurücklasse.

"Die Einstufung friedlicher christlicher Einwohner als ‘Sicherheitsrisiko’ durch die Türkei ist ein klarer Missbrauch des Gesetzes und ein Angriff auf die Religions- und Glaubensfreiheit.“

“Die Einstufung friedlicher christlicher Einwohner als ‘ Sicherheitsrisiko’ durch die Türkei ist ein klarer Missbrauch des Gesetzes und ein Angriff auf die Religions- und Glaubensfreiheit“, sagt Rieder unter Verweis auf den wegweisenden Fall Wiest v. Türkiye (deutsch: Wiest gegen die Türkei), der derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verhandelt wird. “Wenn Regierungen Verwaltungs- oder Einwanderungssysteme manipulieren, um Menschen allein aufgrund ihres Glaubens auszuschließen, untergräbt dies sowohl die Rechtsstaatlichkeit als auch die Grundsätze der Toleranz und des friedlichen Zusammenlebens, zu deren Schutz die OSZE gegründet wurde.“

Christen aufgrund von ‘Sicherheitscodes’ ausgewiesen

Seit 2020 wurden mehr als 200 ausländische christliche Arbeiter und ihre Familien – insgesamt etwa 350 Personen – aus der Türkei ausgewiesen, von denen viele seit Jahrzehnten dort gelebt hatten. Das Innenministerium hat diesen Personen sogenannte ‘Sicherheitscodes’ wie N-82 und G-87 zugewiesen, die eine Wiedereinreise effektiv verhindern und sie als nationale ‘Sicherheitsbedrohung’ einstufen.

Zwischen Dezember 2024 und Januar 2025 allein sollen mindestens 35 neue Codes gegen ausländische Christen verhängt worden sein. Diese Maßnahmen haben zahlreiche protestantische Gemeinden ihrer seelsorgerlichen Leitung beraubt und das religiöse Leben im ganzen Land erheblich beeinträchtigt.

ADF International unterstützt derzeit über 30 Gerichtsverfahren von Christen, die diese willkürlichen Einreiseverbote vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und den türkischen Gerichten anfechten.

Rechtliche Doppelmoral und Diskriminierung

Obwohl die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit in der türkischen Verfassung verankert ist, zeigt die Regierungspraxis ein anderes Bild. Einreiseverbote und Abschiebungen werden zunehmend als Instrument eingesetzt, um ausländische christliche Mitarbeiter zum Schweigen zu bringen, während die theologische Ausbildung weiterhin stark eingeschränkt ist – das historische Halki-Seminar bleibt geschlossen, und protestantischen Seminaren wird nach wie vor die rechtliche Anerkennung verweigert. Bibelunterricht ist auch verboten, während islamische Theologiekurse unter staatlicher Aufsicht frei angeboten werden dürfen. Zudem werden Kirchengemeinden mit ungerechten Beschränkungen ihres Eigentums konfrontiert; so wurde etwa die protestantische Gemeinde von Bursa gezwungen, ihr seit Langem genutztes Gotteshaus zu verlassen. Insgesamt zeichnen diese Maßnahmen das Bild einer systematischen Diskriminierung von Christen – im klaren Widerspruch zu den Artikeln 9 und 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention und zu den Grundrechten, die die türkische Verfassung selbst garantiert.

Ein Lackmustest für die Glaubensfreiheit

Das bevorstehende Urteil im Fall Wiest v. Türkiye (deutsch: Wiest gegen die Türkei) dürfte einen wichtigen Präzedenzfall für den Schutz der Glaubensfreiheit in Europa und darüber hinaus schaffen. Herr Wiest, ein US-amerikanischer Staatsbürger, der mehr als 30 Jahre lang rechtmäßig in der Türkei lebte, erhielt ein Wiedereinreiseverbot, ohne dass es irgendwelche Beweise für ein Fehlverhalten gegeben hätte. Sein Fall steht stellvertretend für eine wachsende Zahl von Gläubigen, die allein wegen der friedlichen Ausübung ihres Glaubens verfolgt oder bestraft werden.

“Glaubensfreiheit kann nicht bestehen, wenn Gläubige in ständiger Angst vor Ausweisung leben müssen, nur weil sie ihren Glauben praktizieren“, erklärte Rieder weiter. “Die OSZE und ihre Teilnehmerstaaten haben sich zur Förderung von Toleranz und zur Bekämpfung von Diskriminierung verpflichtet. Diese Verpflichtungen müssen nicht nur mit Worten, sondern auch durch konkrete Taten eingelöst werden.“

ADF International ruft zum Handeln auf

In ihrer Rede rief Lidia Rieder im Namen von ADF International die Teilnehmerstaaten dazu auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Verpflichtungen zur Religions- und Glaubensfreiheit einzuhalten. Dazu zählen die vollständige Umsetzung der OSZE- und internationalen Verpflichtungen zur Förderung religiöser Toleranz, die Verhinderung des Missbrauchs von Verwaltungs- und Sicherheitsmechanismen zur Marginalisierung oder Ausweisung religiöser Minderheiten sowie die Gewährleistung von Rechenschaftspflicht und wirksamen Rechtsmitteln für Opfer von Diskriminierung. Die Organisation fordert zudem die sofortige Aufhebung diskriminierender Einreiseverbote und Sicherheitskennzeichnungen, die Menschen ausschließlich aufgrund ihres christlichen Glaubens treffen. Wahre Toleranz, so betonte Rieder, zeige sich nicht in Worten, sondern in konkreten Handlungen, die den Schutz und die Rechte aller Gläubigen sicherstellen.

Obwohl die türkische Verfassung die Religionsfreiheit garantiert, hat der wachsende religiöse Nationalismus zu einer systematischen Beschränkung der Rechte religiöser Minderheiten geführt. Christliche Gemeinschaften sind von zunehmenden Einschränkungen bei Gottesdiensten, Bildungseinrichtungen und kirchlicher Leitung betroffen und stehen unter dauerhafter staatlicher Beobachtung sowie dem Risiko willkürlicher Abschiebungen.

ADF International setzt sich weiterhin für die Rechte von Christen in der Türkei und weltweit ein – in der Überzeugung, dass Glaubensfreiheit die Grundlage jeder freien Gesellschaft bildet.

Bilder zur kostenlosen Verwendung in Print- oder Online-Medien ausschließlich im Zusammenhang mit dieser Geschichte

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