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Live aus dem Gerichtssaal: Finnlands „Bibel-Tweet“-Fall erreicht den Obersten Gerichtshof

  • Vor Finnlands höchstem Gericht wird heute die letzte Berufung im Fall Päivi Räsänen verhandelt. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Verurteilung, aufgrund von Räsänen Äußerungen in einem X-Post mit Bibelzitat

  • Das Urteil dürfte weitreichende Folgen für die Meinungs- und Religionsfreiheit in ganz Europa haben und könnte einen wichtigen Präzedenzfall schaffen.

  • Päivi Räsänen wird heute, am 30. Oktober um 16:00 Uhr MEZ (11:00 Uhr EDT) bei einer Online-Pressekonferenz, die von ADF International veranstaltet wird, für Fragen zur Verfügung stehen.

HELSINKI (30. Oktober 2025) – Das seit Jahren andauernde Verfahren im sogenannten „Bibel-Tweet“-Fall gegen die finnische Parlamentsabgeordnete Dr. Päivi Räsänen und den lutherischen Bischof Juhana Pohjola ist nun vor dem Obersten Gerichtshof Finnlands angelangt – ein historischer Moment für die Meinungs- und Religionsfreiheit in Europa. Beide werden der „Hassrede“ beschuldigt, weil sie öffentlich ihre Glaubensüberzeugungen zu Ehe und Sexualität zum Ausdruck brachten. Die internationale Menschenrechtsorganisation ADF International koordiniert ihre rechtliche Verteidigung.

Die Anhörung vor dem Obersten Gericht folgt auf die einstimmigen Freisprüche sowohl des Bezirksgerichts Helsinki im März 2022 als auch des Berufungsgerichts im November 2023. Beide Gerichte kamen zu dem Schluss, dass Räsänens Äußerungen vollständig durch die Meinungs- und Religionsfreiheit geschützt sind, wie sie im finnischen Recht und im internationalen Menschenrecht verankert sind. Trotz dieser Urteile hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren an die höchste Instanz weitergezogen und beharrt darauf, dass Räsänens „Interpretation“ biblischer Texte eine strafbare Handlung darstelle.

„Ich stehe heute hier nicht nur, um mein eigenes Recht auf freie Meinungsäußerung zu verteidigen, sondern auch die Freiheit jedes Menschen, seine tief verwurzelten Überzeugungen ohne Angst vor Bestrafung zum Ausdruck zu bringen. Mein Fall wird zeigen, ob das Zitieren der Bibel in einem freien Land zu einer Straftat werden kann. Ich vertraue darauf, dass der Oberste Gerichtshof Finnlands die Rechtsstaatlichkeit und das grundlegende Recht schützt, offen über den Glauben zu sprechen. Niemand sollte dafür zensiert werden, die zeitlosen Wahrheiten der Heiligen Schrift zu teilen“, sagte Päivi Räsänen, die beim Betreten des Gerichts am Morgen von zahlreichen Journalisten und Fotografen empfangen wurde.

Kriminalisierung des Glaubens: Staatsanwaltschaft erklärt Bibelverse zu „Hassrede“

Heute Morgen wurde Päivi Räsänen bei ihrer Ankunft am Gericht von einer großen Zahl von Unterstützern begrüßt.

In der Anhörung bekräftigten die Staatsanwälte erneut ihre Behauptung, Räsänens Äußerungen seien „beleidigend“ und „die Absicht sei irrelevant“ – entscheidend sei allein, wie Leserinnen und Leser den Text interpretierten.

Die Staatsanwaltschaft fordert, dass Räsänen und Bischof Pohjola wegen „Volksverhetzung“ strafrechtlich verurteilt werden, Geldstrafen erhalten und dass Räsänens Tweet sowie ihre Broschüre aus dem Internet entfernt werden.

Räsänen erklärte, dass sie in der 2004 verfassten Broschüre über die christliche Lehre zu Ehe und Sexualität – für die sie nun wegen „Hassrede“ angeklagt ist – betonen wollte, „dass die Botschaft der Gnade für alle Menschen gilt, auch für Angehörige von Minderheiten“.

Ziel der Broschüre sei gewesen, „den Inhalt der Bibel zu verteidigen“.

Bezüglich ihres Tweets mit einem Bibelzitat sagte Räsänen, sie habe sich über die Entscheidung der Lutherischen Kirchenleitung besorgt gezeigt, eine Pride-Veranstaltung zu unterstützen. „Wenn die Kirchenleitung Werte lehrt, die der Bibel widersprechen, untergräbt das die Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift“, so Räsänen.

Sie betonte, die Frage betreffe „nicht mehr nur die Ehe, sondern das Heil der Menschen“ – und als Mitglied des Kirchenrats habe sie es als ihre Pflicht angesehen, sich an der Diskussion darüber zu beteiligen.

Räsänen fügte hinzu, dass der Tweet große Zustimmung erhalten habe und viele Christinnen und Christen ihre Sorge teilten.

„Dieser Fall trifft das Herz der Demokratie: Es geht darum, ob Menschen ihre Überzeugungen frei äußern können, ohne staatliche Strafverfolgung befürchten zu müssen. Die Kriminalisierung von Äußerungen allein deshalb, weil sie eine traditionelle Glaubensüberzeugung widerspiegeln, ist mit einer freien und offenen Gesellschaft unvereinbar“, erklärte Paul Coleman, Geschäftsführer von ADF International und Teil des rechtlichen Verteidigungsteams von Päivi Räsänen

Der Prozess wird zur Strafe

Päivi Räsänen ist Ärztin, Großmutter und seit über 25 Jahren Parlamentsabgeordnete. Ihr wird „Hassrede“ vorgeworfen, weil sie ihre biblischen Überzeugungen zu Ehe und Sexualethik öffentlich geäußert hatte.

Die drei Anklagen beziehen sich auf einen Tweet aus dem Jahr 2019, in dem sie die offizielle Unterstützung ihrer Kirchenleitung für die Helsinki Pride infrage stellte und ein Foto von Bibelversen teilte, auf eine Broschüre aus dem Jahr 2004, in der unter der Herausgeberschaft von Bischof Juhana Pohjola christliche Lehren zur Sexualität dargestellt wurden, sowie auf Äußerungen in einer Radiosendung, in der es um Theologie und menschliche Identität ging.

Die letzte dieser drei Anklagen wurde von der Staatsanwaltschaft in diesem jüngsten Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof fallen gelassen.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, dass alle drei Äußerungen eine „Aufwiegelung gegen eine Minderheit“ seien. Die Anklage fällt im finnischen Strafgesetzbuch unter den Abschnitt „Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Im Verlauf der Ermittlungen wurde Räsänen über mehrere Monate hinweg insgesamt 13 Stunden lang polizeilich verhört. Dabei wurde sie von der Polizei häufig aufgefordert, ihr Verständnis der Bibel zu erklären.

Meinungsfreiheit vor Gericht

“In einer demokratischen Gesellschaft sollte jeder seine Überzeugungen frei äußern können, ohne staatliche Verfolgung fürchten zu müssen, sagte Coleman „In diesem Fall geht es um weit mehr als um einen einzelnen Tweet – es geht darum, ob das Zitieren der Bibel im heutigen Finnland überhaupt noch erlaubt ist. Das Oberste Gericht hat nun die Möglichkeit, die grundlegenden Freiheitsrechte zu bestätigen, die jeden Menschen schützen – unabhängig von seiner Überzeugung.“

Räsänen, die von 2011 bis 2015 Finnlands Innenministerin war und seit 1995 dem Parlament angehört, bleibt standhaft. Nach ihrem früheren Freispruch erklärte sie, sie werde „nicht von der Wahrheit des Evangeliums abweichen“ und betonte, dass ihr Fall „das Recht jedes Menschen betrifft, frei zu sprechen“.

Pressekonferenz – Anmeldung

ADF International wird heute am 30. Oktober um 16:00 Uhr MEZ im Anschluss an die Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof eine Pressekonferenz veranstalten.

Abgeordnete Dr. Päivi Räsänen, Bischof Juhana Pohjola, Paul Coleman, Geschäftsführer von ADF International, und der finnische Anwalt Matti Sankamo, stehen nach einem kurzen Statement von Räsänen für Fragen zur Verfügung.

Bitte registrieren Sie sich hier, um den Zoom-Link zur Pressekonferenz zu erhalten.

Wenn Sie ein Interview mit Räsänen und einem Mitglied ihres Verteidigungsteams von ADF International wünschen, wenden Sie sich bitte an Sofia Hörder unter [email protected] / +43 676 362 5093

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