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Offener Brief an die Europäische Kommission: Hundert Experten warnen vor Einschränkung der Meinungsfreiheit durch EU-Gesetze

  • Das Schreiben fordert die Kommission auf, im Rahmen der Überprüfung des Gesetzes über Digitale Dienste (engl. Digital Services Act oder kurz: DSA) Experten für Meinungsfreiheit zu konsultieren
  • Der von ADF International koordinierte Brief von Experten im Bereich Meinungsfreiheit schließt sich wachsenden internationalen Sorgen an, dass der DSA zu einer Ausweitung von Zensur im digitalen Raum beitragen könnte.

BRÜSSEL (9. Oktober 2025) – Mehr als 100 Experten für Meinungsfreiheit aus aller Welt haben in einem Schreiben an die Europäische Kommission davor gewarnt, dass ein EU-Gesetz die weltweite Meinungsfreiheit im Internet zensieren könnte.

In einem Schreiben an die Europäische Kommission haben 113 Experten – darunter ein ehemaliger Vizepräsident von Yahoo Europe sowie Politiker, Wissenschaftler, Juristen und Journalisten aus aller Welt – gefordert, dass die Kommission im Rahmen der bis zum 17. November laufenden Überprüfung des EU-Gesetzes über digitale Dienste (DSA) auch Experten für Meinungsfreiheit anhört.

In dem von der Organisation ADF International koordinierten Schreiben wird gewarnt: “[Der DSA] errichtet eine gesamteuropäische Zensurinfrastruktur mit unklaren Grenzen und dem Risiko, legitime demokratische Debatten zu unterdrücken …“

„Die weit gefasste Definition von ‚rechtswidrigen Inhalten‘ eröffnet die Möglichkeit, dass die restriktivsten Sprachvorschriften eines einzelnen EU-Mitgliedstaates zum Maßstab für die gesamte Union – und darüber hinaus – werden. Auf diese Weise wird de facto das niedrigste Schutzniveau der Meinungsfreiheit exportiert.“

Weiter heißt es in dem Schreiben: ‚,Die breite Definition von ,rechtswidrigen Inhalten’ im DSA, zusammen mit der Rechtsprechung des EuGH, könnte weltweit Löschungen nach sich ziehen.“

Zu den Unterzeichnern gehören Paul Coleman, Geschäftsführer und Leitender Anwalt von ADF International, Hedwig von Beverfoerde, Sprecherin der Initiative DemoFürAlle, der Autor und Journalist Rod Dreher, Ján Figeľ, Präsident von FOREF Europe und ehemaliger EU-Kommissar aus der Slowakei, Prof. Dr. Ralf Höcker LL.M., Rechtsanwalt in Köln, die Journalistin und Bestsellerautorin Birgit Kelle sowie der Rechtsanwalt und Bestsellerautor Joachim Nikolaus Steinhöfel.

Auch parteiübergreifend haben Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEP) den Brief unterzeichnet, darunter Stephen Bartulica (ECR), Branko Grims (EVP) und Virginie Joron (Patrioten) sowie Robert P. George, McCormick-Professor für Rechtswissenschaften an der Princeton University, Peter Boghossian, amerikanischer Philosoph und Autor, Chris Elston, auch bekannt als „Billboard Chris“, Kinderrechtsaktivist, und weitere Experten aus Großbritannien, Europa, Lateinamerika und den Vereinigten Staaten.

Den vollständigen Brief (in englischer Sprache), die komplette Liste der Unterzeichner sowie die Möglichkeit, die öffentliche Version des Schreibens selbst zu unterzeichnen, finden Sie hier.

Intransparentes Überprüfungsverfahren des DSA

Der Brief bringt die Besorgnis über das intransparente Überprüfungsverfahren der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit dem DSA zum Ausdruck und fordert die Kommission auf: “Führen Sie vor der Überprüfung im November eine umfassende und inklusive Konsultation mit unabhängigen Experten für Meinungsfreiheit, Verfassungsrecht und digitale Rechte durch und laden Sie die Öffentlichkeit zur Stellungnahme ein.“

“Veröffentlichen Sie die Liste der NGOs, zivilgesellschaftlichen Akteure und Partnerorganisationen, die in den Überprüfungsprozess einbezogen sind, einschließlich der Kriterien und der Methodik, die für ihre Auswahl verwendet wurden.“

“Stellen Sie sicher, dass die Überprüfung eine gründliche rechtliche Analyse der Vereinbarkeit des DSA mit dem Schutz der Grundrechte umfasst, insbesondere nach Artikel 11 der Charta der Grundrechte der EU, Artikel 10 der EMRK und Artikel 19 des IPbpR.“

Die Bedenken des US-Botschafters bei der EU

Der Brief der Experten an die Europäische Kommission knüpft an die jüngsten Äußerungen des US-Botschafters bei der EU, Andrew Puzder, an. Dieser hatte vergangene Woche seine Sorge geäußert, der DSA könnte zur Zensur amerikanischer Bürger führen. Bereits zuvor hatte auch Google gewarnt, dass das Gesetz eine Gefahr für die Meinungsfreiheit in den USA darstelle.

Botschafter Puzder sagte letzte Woche: “Kein Präsident – ganz gleich aus welcher Partei – wird akzeptieren, dass eine ausländische Regierung, die durch den Ersten Verfassungszusatz garantierten, Grundrechte amerikanischer Bürger auf freie Meinungsäußerung und freie Rede einschränkt. “Wir müssen also verstehen was mit dem Digital Services Act geschieht.“

Berichten zufolge erklärte Botschafter Puzder zudem, dass die Vereinigten Staaten im Rahmen der Überprüfung der europäischen Digitalgesetzgebung durch die Kommission eine formelle Stellungnahmen einreichen werden.

Die im Brief geäußerte Warnung vor einer weltweiten Zensur durch den DSA stützt die Bedenken von Botschafter Puzder ebenso wie jene von Google.

Dr. Adina Portaru, Leiterin der Rechtsabteilung in Brüssel für ADF International sagte:

“Die Europäische Kommission behauptet, dass der DSA keine Zensur von Meinungsäußerungen bewirken, sondern lediglich ein sichereres Online-Umfeld schaffen werde. In diesem Schreiben widersprechen hundert Experten für Meinungsfreiheit dieser Aussage vehement.“

“Die Kommission muss sich bei ihrer Überprüfung des DSA mit diesen Bedenken befassen und Maßnahmen ergreifen, um die Meinungsfreiheit im Internet zu schützen.“

Die französische Europaabgeordnete und Unterzeichnerin des Schreibens Virginie Joron sagte:

“Die französische Regulierungsbehörde für digitale Medien ARCOM teilte mir mit, dass sie der Ansicht ist, dass der DSA es ihr erlaubt, jeden Beitrag überall auf der Welt zu zensieren. Das heißt, selbst ein in Alabama veröffentlichter Beitrag eines US-Bürgers könnte gelöscht werden, auch wenn er in den USA völlig legal ist.”

“Bereits 2003, nach dem Terroranschlag von Annecy in Südfrankreich, bei dem ein syrischer Migrant vier Babys und Kleinkinder auf einem Spielplatz erstach, wurde die Reaktion eines US-Bürgers gelöscht – wie ein Bericht des US-Kongresses festhält.“

Der Brief warnt nicht nur vor der Möglichkeit globaler Löschungsanordnungen im Rahmen des DSA, sondern zitiert auch den Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses, um eine weitere Gefahr der EU-Gesetzgebung für die Zensur globaler Online-Äußerungen hervorzuheben: “Da viele Social-Media-Plattformen in der Regel über einheitliche Richtlinien zur Moderation von Inhalten verfügen, die sie weltweit anwenden, könnten restriktive Zensurgesetze wie der DSA de facto globale Zensurstandards festlegen.“

Bilder zur freien Verwendung in Print- oder Online-Medien nur im Zusammenhang mit dieser Geschichte

(von links nach rechts: Dr. Adina Portaru, Leiterin der Rechtsabteilung in Brüssel für ADF International; die französische Europaabgeordnete Virginie Joron)

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