- Iranischer Konvertit ist von Abschiebung bedroht; könnte wegen seines Glaubens inhaftiert werden und sterben
- Das Gericht hält es für „unglaubwürdig“, dass eine Person zum Christentum konvertiert, nachdem ein Familienmitglied wegen seines Glaubens getötet wurde
Greifswald (2. August 2022) – Einem 44-jähriger Möbeltischler und christlicher Konvertit aus dem Iran wurde in Europa Schutz und Asyl verweigert. Der Europäische Menschengerichtshof hat seinen Antrag auf Anfechtung des negativen Asylbescheids zurückgewiesen. Der 44-jährige könnte nun in den Iran abgeschoben werden.
„Niemand sollte aufgrund seines Glaubens verfolgt werden. Der Iran ist für Christen eines der gefährlichsten Länder der Welt, und Konvertiten sind besonders in Gefahr. Im letzten Jahr hat sich die religiöse Verfolgung stark verschlimmert. Sogenannte „religiöse Abweichler“ können mit Gefängnisstrafen belegt werden. Die Gerichte in Deutschland müssen diesen Umstand bei ihrer Bearbeitung von Asylanträgen berücksichtigen“, sagte Lidia Rieder, Juristin bei ADF International.
Ein gefährlicher Weg zum Christentum
Hassan, dessen Name aus Sicherheitsgründen geändert werden musste, und der öffentlich nur unter den Initialen „H.H.“ bekannt ist, suchte 2018 um Asyl an.
Vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erklärte er, dass er über seinen Schwager vom Christentum erfahren habe. Der Bruder seiner Frau wurde wegen seines Engagements in einer Hauskirche inhaftiert und im Gefängnis für seinen Glauben umgebracht.
„Der Bruder meiner Ehefrau war dadurch, dass er Christ geworden war, ein anderer Mensch geworden. Wir wollten ausprobieren, ob wir dieses Empfinden auch bekommen würden, wenn wir Christ werden,“ sagte H.H. den Behörden.
„Ich hatte im Iran viele Probleme gehabt […] ich hatte viele Fragen, die ich aber nicht stellen durfte. Wenn ich Fragen gestellt habe, bin ich in der Schule geschlagen worden. Das hat dazu geführt, dass ich wissen wollte, welchem Gott ich gegenüberstehe. Eines Tages hat der Schwager zu mir und meiner Frau gesagt, ich habe eine gute Nachricht. Es gebe einen Schatz, es existiere ein lebendiger Gott, Jesus Christus, wir sind seine Kinder und nicht seine Sklaven. […] Er sagte, es gibt eine kostenlose Rettung, wenn wir an Gott glauben,“ reflektierte er über seine Konversion.
Hassans Frau konvertierte daraufhin, genauso wie später die ganze Familie. Als das herauskam stürmten Sicherheitskräfte ihr Haus und konfiszierten Bücher, den Computer, ihre Reisepässe und die Bibel. Die Familie floh in die Türkei und dann nach Deutschland.
„In Deutschland missioniere ich, ich veranstalte Gebetskreise hier in der Unterkunft. Ich möchte, mit meinem Verhalten ein gutes Beispiel sein und somit die anderen Bewohner für den Glauben an Jesus Christus gewinnen. Mein größtes Ziel wäre meine Kinder, dass meine Kinder sich in Freiheit auf den Weg zu Jesus Christus machen können und Gutes tun können,“ sagte der Flüchtling.
Glaubwürdigkeit wird in Frage gestellt
Nachdem der Asylantrag von H.H. vom BAMF abgelehnt wurde, legte er beim Verwaltungsgericht Greifswald Berufung ein. Doch das Gericht wies H.H.s Klage mit der Begründung ab, es sei „nicht besonders wahrscheinlich“, dass ein Muslim sich entschließen würde, Christ zu werden, nachdem sein Schwager gefoltert und getötet sowie seine Frau misshandelt worden war. Eher sei „anzunehmen, dass von den geschilderten Geschehnissen, sollten sie tatsächlich stattgefunden haben, eine abschreckende Wirkung auf dritte Personen ausgeht“, so das Verwaltungsgericht.
„Es gibt klare Kriterien und Richtlinien für Asylanträge, die sich auf religiöse Gründe stützen. Laut dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) müssen Entscheidungsträger objektiv urteilen und dürfen keine Schlussfolgerungen ziehen, die allein auf ihren eigenen Erfahrungen berufen. Es kann nicht sein, dass einzelne Richter über das Glaubensleben von Konvertiten urteilen. Und das, nur weil sie nicht verstehen, dass Glaubenstreue in Situationen der Verfolgung für andere anziehend sein kann und nicht nur abschreckend“, so Rieder weiter.
Kürzlich lehnte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Anhörung von Hassan ab. Nun ist er von der Abschiebung bedroht, in ein Land in dem Konversionen mit Gefängnis bestraft werden können.
Bundesweit uneinheitliche Zuteilung von Asylbescheiden
Laut OpenDoors sehen sich iranische Asylbewerber in Deutschland besonders häufig mit dem Verdacht einer vorgetäuschten Konversion konfrontiert. Die Situation ist bundesweit sehr unterschiedlich: Im Vergleich der Bundesländer ergibt sich hinsichtlich der Anerkennung bzw. Ablehnung von Konvertiten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Verwaltungsgerichte ein uneinheitliches Bild von sehr niedrigen bis sehr hohen Ablehnungsquoten, was auf subjektive Prüfverfahren schließen lässt.
„Ein einheitlicher und objektiver Prüfstandard scheint nicht gewährleistet, obwohl er in internationalen Verträgen gefordert wird. Wenn Prüfer und Richter nach eigenem Gusto und ohne Kenntnis der tatsächlichen Situation in den Herkunftsländern über Asylanträge entscheiden, entsteht schweres persönliches Leid. Der Fall von H.H. ist dafür ein warnendes Beispiel“, sagte Lidia Rieder.
Situation von Christen im Iran verschlimmert sich
Der Iran ist auf Platz 9 der World Watch List, eine Rangliste der Länder mit der schlimmsten Christenverfolgung weltweit. Das Ausmaß der Verfolgung ist „extrem“.
2021 verabschiedete der Iran Gesetze, die für „Beleidigung des Islam“ und „abweichende Aktivitäten“ Gefängnisstrafen vorsehen. Im letzten Jahr wurden mehrere Christen auf dieser Grundlage festgenommen, angeklagt und zu jeweils fünf Jahren Haft verurteilt. Laut einem Bericht der US-Kommission für Internationale Religionsfreiheit ist die Verfolgung von Konvertiten zum Christentum besonders schlimm.
„Jeder Mensch muss in der Lage sein können, seinen Glauben frei zu wählen. Der Iran verletzt systematisch das Recht auf Religionsfreiheit. Besonders schlimm sind Gesetze, die sich spezifisch gegen religiöse Minderheiten richten. Wenn Länder wie Deutschland vor der Gefahr für Christen im Iran die Augen verschließen, sendet das ein fatales Signal“, sagte Kelsey Zorzi, Leiterin der Abteilung für Weltweite Religionsfreiheit bei ADF International.