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Berliner Apotheker gibt Beruf nach „Pille danach“-Gerichtsurteil aus Gewissensgründen auf 

  • Apotheker war vor Gericht, weil er aus Gewissensgründen die „Pille danach“ nicht verkaufte. Die Apothekerkammer beschuldigte ihn eines Berufsvergehens und argumentierte, dass das Präparat zur „Grundversorgung“ gehöre. 

  • Kersten wurde 2024 freigesprochen, doch Richter argumentierten im Urteil: Apotheker, die den Verkauf nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, müssen den Beruf aufgeben.

  • Rechtsexperten kritisieren richterlichen Aktivismus und verweisen auf Grundrecht: Apotheker müssen bei Berufswahl nicht ihr Gewissen aufgeben.

Berlin (15 Mai 2025) – Der Berliner Apotheker Andreas Kersten hat Anfang des Monates die Apothekerkammer gebeten seine 1984 erteilte Approbation als Apotheker zurückzunehmen. Er gab an, aufgrund des Urteils des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Fall, den Beruf aus Gewissensgründen nicht mehr ausüben zu können.  

In einem Urteil  hatte das Berliner Gericht im Juni 2024 den Apotheker vom Vorwurf der Berufspflichtverletzung freigesprochen und die Berufung der Apothekerkammer kostenpflichtig zurückgewiesen. In der Urteilsverkündigung erläuterte das Gericht jedoch, dass die „Pille danach“ ein zugelassenes Arzneimittel im Rechtssinne sei, und es kein „Prüfrecht“ für Pharmazeuten gebe. Die individuelle Gewissensfreiheit sei dem Versorgungsauftrag untergeordnet. Ein Apotheker, der die Abgabe bestimmter Präparate nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne, müsse seinen Beruf aufgeben. Der Freispruch ist rechtskräftig, die widersprüchliche Begründung bezüglich der Gewissensfreiheit von Apothekern jedoch nicht.  

“Es ist bedauernswert, dass Apothekern das Recht auf Gewissensfreiheit abgesprochen wird, wenn sie eine lebensachtende Haltung einnehmen. Die sogenannte „Pille danach“ zu verkaufen, kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, weil sie möglicherweise ein Menschenleben beenden könnte. Daher sehe ich mich gezwungen meine Approbation als Apotheker aufzugeben."

„Das Gericht hat sich hinter meine Haltung gestellt. Es fand kein Verschulden in meiner Weigerung aus Gewissensgründen. Bestürzt hat mich aber die Begründung, die mir meine Gewissensfreiheit diesbezüglich doch abspricht. Aufgrund des Freispruchs kann ich diese zusätzlichen Ausführungen des Gerichts jedoch nicht anfechten. Nun sehe ich mich gezwungen meine Approbation als Apotheker niederzulegen,“ so Kersten.  

Hintergrund: Anklage gegen gewissenhaften Apotheker

 Apothekerkammer Berlin ein berufsrechtliches Verfahren gegen den Pharmazeuten und (damaligen) Inhaber der Undine-Apotheke Andreas Kersten. Er hatte aus Gewissensgründen stets davon abgesehen, die sogenannte „Pille danach“ vorrätig zu haben und zu verkaufen. Das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Berlin, vor dem der Fall im November 2019 in erster Instanz verhandelt wurde,gab Kersten recht.    

Das Gericht hielt damals fest, dass Apotheker sich auf die Gewissensfreiheit berufen können. Die Apothekerkammer legte aber Berufung gegen das Urteil ein und Kersten musste lange auf seinen Berufungsprozess warten.  

Aus gesundheitlichen Gründen beschloss Kersten bereits kurz nach Eröffnung des Verfahrens 2018, seine Apotheke zu schließen. Doch er blieb während des langwierigen Gerichtsprozesses Mitglied der Apothekerkammer und schloss eine Rückkehr in den Beruf nicht aus. Nachdem die Richter im letztinstanzlichen Urteil die Auffassung vertreten hatten, er müsse sich zwischen seinem Gewissen und seiner Berufsausübung entscheiden, kam Kersten zu dem Schluss, dass er aus Gewissensgründen seinen Beruf als Apotheker nun endgültig nicht mehr ausüben kann und gab seine Zulassung zurück.

Freispruch – doch Gewissensfreiheit wird abgesprochen 

Formell sprach das Gericht Andreas Kersten am 26.06.2024 im konkreten Fall vom Vorwurf der Berufspflichtverletzung frei. Es wies die Berufung der Apothekerkammer vollumfänglich zurück und erlegte ihr die Verfahrenskosten auf.   

Nach einem Verfahren durch mehrere Instanzen und nach über 5 Jahren Unsicherheit wurde letzten Sommer klar, dass Andreas Kersten in seiner Gewissensnot nicht schuldhaft gegen Berufspflichten verstoßen hat. Skandalös war aber die Begründung des Urteils. Das Gericht führte nebenbei aus, dass sich Apotheker zukünftig zwischen ihren Überzeugungen und ihrem Beruf entscheiden müssen. Inhaltlich widerspricht das der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Und formal erwächst diese Begründung – anders als der Freispruch – auch nicht in Rechtskraft, bindet also niemanden.  Noch am Tag der mündlichen Urteilsverkündung gab das Gericht eine Pressemeldung heraus, die Apothekern die Gewissensfreiheit absprach, der Freispruch wurde nicht einmal erwähnt. Das deutet auf richterlichen Aktivismus hin,“ erklärt Dr. Felix Böllmann, der Leiter der europäischen Rechtsabteilung von ADF International. ADF International unterstützte Kerstens Fall seit sechs Jahren als wichtigen Präzedenzfall in Deutschland.  

Böllmann weiter: „Das Oberverwaltungsgericht Berlin setzte sich mit seiner Argumentation auch in direkten Widerspruch zum internationalen Recht. Grundrechte müssen effektiv garantiert werden, nicht nur auf dem Papier. Aber die Argumentation des Gerichts lässt der Gewissensfreiheit keinen Raum. Gewissenskonflikte müssen im Rechtsstaat, der sowohl Gewissens-, als auch Berufsfreiheit garantiert, anders als durch einen Berufswechsel gelöst werden.“  

„Pille danach“: potenziell abtreibendes Präparat 

Die Begründung des Gerichts wirkt auch im Hinblick auf die offizielle Handlungsempfehlungen der Bundesapothekerkammer „Rezeptfreie Abgabe von oralen Notfallkontrazeptiva (‚Pille danach‘)“ fragwürdig. Darin werden dem Apotheker umfassende Aufklärungs- und Beratungspflichten auferlegt – zur Sicherstellung der richtigen Anwendung und damit zum Schutz der Bevölkerung.   

Zu den umfassenden Beratungspflichten passt es nicht, Apotheker unter Berufung auf den Versorgungsauftrag dazu zu zwingen, jedes Präparat auf Nachfrage und ungeachtet etwaiger Bedenken zu verkaufen,“ sagte Böllmann.  

Neben anderen gefährlichen Nebenwirkungen ist die „Pille danach“ vor allem wegen ihrer potenziell abtreibenden Wirkung umstritten, da sie die Einnistung der bereits befruchteten Eizelle in die Gebärmutter verhindern kann. Ein bereits gezeugter Mensch würde in diesem Fall abgetrieben.   

Niemand darf zu einer Handlung gezwungen werden, die seinem Gewissen deutlich widerspricht – vor allem nicht, wenn es um Leben und Tod geht. Wer als Apotheker oder Mediziner deswegen Probleme bekommt oder Zwang erfährt, kann sich gerne bei uns melden. Gemeinsam können wir die Gewissensfreiheit verteidigen. Berufsverbote aus Gewissensgründen sind eines den Grundrechten verpflichteten Rechtstaates unwürdig,“ so Böllmann.   

Bilder zur freien Verfügung in Verbindung mit der PR.

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